Warum du Körpersprache nicht verbessern musst

 
Körperausdruck. Rhetorik Training.png
 

Das Internet ist voll mit Artikeln rund um die Themen ‚Körpersprache verbessern‘ oder ‚Körpersprache deuten lernen‘. Oft gibt mein Körper beim Lesen dieser Artikel ein klares Signal: Es sträuben sich meine Haare.

Denn da wird suggeriert, dass frau nur zackzack diesen oder jenen körpersprachlichen Kniff einsetzen muss – und alles würde anders. Mehr Ausstrahlung, mehr Wahrnehmung, mehr Wirkung. Das halte ich für unseriös.

 

Es gibt kein Standard-Rezept für wirkungsvolle Körpersprache.

Offensichtlich gibt es eine weit verbreitete Sehnsucht nach einfachen Rezepten und eingängigen Formeln. Das beweist etwa auch der Mythos um die 7-38-55%-Zauberformel.

Doch so einfach ist es mit der Kommunikation und der Körpersprache nicht: wir Menschen sind alle unterschiedlich, haben verschiedene Hintergründe, bringen unsere eigenen Geschichten und Prägungen mit. Und zwar in jede neue Kommunikationssituation.

Kommunikation zwischen verschiedenen Individuen ist niemals stereotyp und ‚immer gleich‘. Im Gegenteil: zwischenmenschliche Kommunikation besteht aus vielen unterschiedlichen Variablen, die jeweils neu zusammengesetzt werden.

Konkrete Personen sprechen in einer konkreten Situation über etwas miteinander. Ihre Körper kommunizieren mit. Das ist ein einmaliges und unverwechselbares situatives Ereignis.

Wenn du also nach einfachen Lösungen und Rezepten zum Thema Körpersprache suchst, ist dieser Artikel nichts für dich. Deine Körpersprache wird sich nicht durch ein paar standardisierte Tipps verbessern. Stattdessen erfährst du:

  • Warum du Körpersprache nicht verbessern musst

  • Der Unterschied zwischen Körpersprache und Körperausdruck

  • Was dein Körper beim Kommunizieren macht

  • Was du statt deiner Körpersprache verbessern kannst

 

Warum du Körpersprache nicht verbessern musst

Du musst deine Körpersprache nicht verbessern – du kannst sie schon sehr gut. Zumindest, wenn du mit Menschen kommunizierst, die die gleiche Sprache sprechen wie du.

Verbale Sprache löst Bilder aus – wir benutzen sie, um etwa über einen Gegenstand zu sprechen. Wenn ich ‚Tisch‘ sage, wirst du ein Bild vor deinem inneren Auge haben.

Der Tisch, den du dir vorstellst, wird anders aussehen als der Tisch vor meinem inneren Auge. Aber wir haben beide eine Vorstellung von dem Gegenstand, der gemeint ist: eine Platte mit mindestens einem Bein drunter.

Sprache bedeutet, dass wir Bezeichnungen für Gegenstände oder Handlungen haben, über die wir miteinander sprechen können – und die von den Wörtern unabhängig existieren.

Das Wort ‚Körpersprache‘ suggeriert, dass es sich mit den körperlichen Signalen ebenso verhält. Das ist aber nicht so. Wenn du den linken Arm auf eine bestimmte Weise bewegst, wissen nicht alle sofort, was du damit meinst. Und auch nicht, wenn du vor dem Oberkörper die Arme verschränkst. Der Körper hat keine eigene Sprache, die kommunikativ verlässlich ist.

Natürlich benutze ich den Begriff ‘Körpersprache’ auch, z.B. in der Ankündigung von meinem Seminar über Stimme und Körper. Einfach, weil er für die meisten Leute gebräuchlicher ist als ‘Körperausdruck’.

 

Wann Körpersprache wirklich eine sprachliche Funktion hat

Nur sehr wenige körperliche Bewegungen haben wirklich einen sprachlichen Charakter. Dazu müssen alle Menschen sofort wissen, was mit einer bestimmten Bewegung gemeint ist. In dieser Sprache.

Im Deutschen schütteln wir den Kopf, wenn wir etwas verneinen wollen. Ein erhobener Daumen bedeutet Zustimmung. Ein an den Kopf tippender Zeigefinger teilt mit: „Du hast doch einen Vogel.“

Damit das funktioniert, wurde innerhalb einer Sprachgemeinschaft eine Verbindung hergestellt zwischen der Bewegung und dem Sinn-Inhalt. Es gibt einen Konsens darüber, was diese bestimmten körperlichen Zeichen bedeuten.

Sie sind nicht mehr beliebig austauschbar. Das heißt: wenn du diese Sprache sprichst, dann kannst du auch die dazugehörige Körpersprache – und musst sie also nicht mehr verbessern.

Körpersprache meint alles, was du äußerlich wahrnehmen kannst.

Natürlich wird das Wort ‚Körpersprache‘ aber im Alltag nicht in diesem Sinne verwendet. Da reden wir über Körpersprache, wenn es um äußerliche Erscheinungen an sprechenden Personen geht. Was rund um Gestik, Mimik, Blickkontakt und das Verhalten im Raum wahrnehmbar ist, fällt so unter den Sammelbegriff Körpersprache.

All das sind die nonverbalen Kommunikationsanteile. Dazu gehört auch der stimmliche Ausdruck mit Stimme, Stimmklang, Aussprache, Betonung, Stimmsenkungen und Pausen.

Zusammen ergibt das ein vielfältiges Ausdrucksspektrum, das bei jeder verbalen Kommunikations-Handlung mitläuft. Der Körper drückt sich immer kommunikativ aus – ob wir es wollen oder nicht.

 

Der Unterschied zwischen Körpersprache und deinem individuellen Körperausdruck

Ich spreche daher lieber von Körperausdruck, statt von Körpersprache. Der Körperausdruck begleitet, intensiviert und ergänzt sprachliches Handeln. Zum Sprechen gehört immer ein Körper dazu. Die Bewegungen des Körpers erleichtern den Sprechfluss und dadurch auch das Abrufen von Gedanken.

Dein Körperausdruck ist absolut individuell – und er verändert sich von Situation zu Situation. Wenn du mit jemandem ein Gespräch führst oder wenn du vor Gruppen redest, dann erfüllt dein Körper mehrere Funktionen gleichzeitig.

Er bringt körperliche Signale hervor: indem du Gesten machst oder mit deinem Mund Laute produzierst. Gleichzeitig nimmt dein Körper die Reaktionen deines Gegenübers oder Publikums wahr. Du merkst, ob du angesehen wirst oder deine Gesprächspartnerin sich von dir abwendet.

 

Der Körperausdruck verändert sich fließend in Rede und Gespräch.

Diese körperlichen Signale anderer Personen interpretierst du – bewusst oder unbewusst. Und du wirst deine eigenen körperlichen und sprachlichen Signale daran ausrichten. Schwupps, ist wieder eine neue Kommunikations-Situation entstanden – in der sich natürlich auch dein Körper anders verhält.

Diese Veränderungen sind vielleicht minimal und kaum wahrnehmbar. Doch ebenso, wie das Gespräch immer weiter fließt, bewegt sich auch dein Körper mit.

 

Körperausdruck entsteht über Wahrnehmung und Interaktion.

Jede einzelne Interaktion ruft wiederum die nächste Reaktion hervor. Es ist ein permanentes Wechselspiel: zwischen Nähe und Distanz, zwischen verschiedenen körperlichen Spannungsverhältnissen und mimischem Ausdruck. Der Körperausdruck ist ein Wegweiser durch Gefühle und Befindlichkeiten.

Indem du die Signale eines anderen oder deines eigenen Körpers aufnimmst, bekommst du wertvolle Auskünfte. Sicher leitest du bestimmte Informationen daraus ab, wie dein Gegenüber sitzt oder steht. Wie die Stimme klingt oder ob dir jemand in die Augen sieht.

Du nimmst an dir selbst wahr, dass deine Hände schwitzen, wenn du vor einer Gruppe redest. Oder dass dein Herz vor Aufregung und Lampenfieber laut klopft und deine Stimme kiekst.

 

Interpretiere den Körperausdruck nicht vorschnell.

Durch Beobachtung und Lebenserfahrung hast du eine Ahnung, wie ein bestimmter körperlicher Ausdruck zu deuten sein könnte. Du erkennst Anzeichen und motorische Abläufe und weist ihnen eine Bedeutung zu.

Dabei ist es wichtig, dass du dir klar machst: in jedem Fall handelt es sich um deine Interpretation. Um deine Deutung eines Körperausdrucks.

Wenn eine andere Person mit verschränkten Armen vor dir sitzt, kann das verschiedene Gründe haben. Vielleicht ist ihr kalt, und sie versucht sich zu wärmen. Oder sie möchte sich abgrenzen und keine Nähe zulassen. Oder sie hat Rückenschmerzen und versucht sie so zu mildern. Vielleicht handelt es sich auch um eine individuelle Gewohnheit, wenn sie über ein Problem intensiv nachdenkt.

Erst durch Nachfragen kannst du feststellen, ob du mit deiner Vermutung richtig liegst. Natürlich hilft deine Kommunikationserfahrung dabei ebenso wie das Beachten der situativen Gegebenheiten. Wenn die Person mit den verschränkten Armen in einem sehr warmen Raum sitzt, schließt das ein Kälte-Empfinden mit ziemlicher Sicherheit aus.

 

3 wichtige Schritte, um Körperausdruck einschätzen zu können

Sei dennoch vorsichtig mit vorschnellen Urteilen zum Körperausdruck eines anderen Menschen. Nimm dir Zeit für folgenden Dreischritt:

1.       Wahrnehmen:

Nimm das Verhalten deines Gegenübers genau wahr und beobachte den körperlichen Ausdruck.

2.       Beschreiben:

Mach dir bewusst was du siehst und beschreibe es dir innerlich in klaren Worten und ohne zu werten. Du beschreibst, was du siehst. Fakten.

3.       Interpretieren:

Erst im letzten Schritt wagst du eine vorsichtige (!) Interpretation dessen, was du wahrgenommen und beschrieben hast. Herumpsychologisieren ist dabei nicht gefragt und kann schnell auf eine ganz falsche Fährte führen.

Indem du das nonverbale Verhalten anderer Menschen genau und bewusst beobachtest, hast du auch den ersten Schritt zu einer besseren Wahrnehmung des eigenen Körperausdrucks gemacht. Wenn du sensibel für die kommunikativen Signale der anderen wirst, lernst du auch den eigenen Körperausdruck immer besser kennen.

 

Was du statt deiner Körpersprache verbessern kannst

Wenn wir also davon ausgehen, dass du Körpersprache schon kannst – was lässt sich dann genau trainieren und verbessern? Was unterstützt dich dabei, beim Sprechen vor Gruppen oder im Gespräch sicher und präsent wirken zu können? Wie kannst du ein Stück weit steuern, wie du wahrgenommen wirst?

Du kannst deine eigene Wahrnehmungsfähigkeit bezüglich deines Körperausdrucks trainieren. So machst du dir bewusst, welche nonverbalen Zeichen du sendest.

Dabei geht es nicht darum, dich selbst zu ‚überwachen‘ oder mit kritischem Blick auf das zu schauen, was du machst. Sondern – wie schon oben beschrieben: wahrzunehmen, was da ist. Und es dir zu beschreiben. Danach den Blick darauf richten, wie das wirken könnte. Um es möglicherweise sanft zu verändern.

 

Wie du deinen Körperausdruck sanft wahrnimmst und veränderst

Ein Beispiel: Du bist bei einem wichtigen Business-Meeting und willst überzeugend und sicher rüberkommen.

Allerdings hast du die ganze Zeit leichte Rückenschmerzen. Eigentlich möchtest du dich klein zusammenringeln und im Bett verkriechen. Geht aber grad nicht – die Angelegenheit ist zu wichtig.

Da fällt dir auf, dass du die ganze Zeit die Arme vor dem Oberkörper verschränkt hältst und nach unten blickst.

Du spürst deine innere Haltung, deine Gefühle und wie sich das im Körper ausdrückt. Dir wird bewusst, dass diese Körperhaltung abweisend wirken könnte – und dass du so nicht gut in Kontakt kommen wirst.

Deswegen entscheidest du dich, sanft etwas zu verändern: die Arme locker hängen zu lassen, die Schultern gerade zu machen und ein paar Mal tief durchzuatmen. Du führst dir vor Augen, warum du unbedingt hierher kommen wolltest – und gehst mit einem offenen Blick auf deine nächste Gesprächspartnerin zu.

 

Hör auf deinen Körper – er hat recht.

Körpersprache verbessern. Rhetorik Training.png

Natürlich möchte ich nicht, dass du die eigenen Schmerzen ignorierst. Manchmal muss man auch einfach ins Bett. Auch da ist es gut, wenn du auf deinen Körper hörst. Ein anderes Mal ist es jedoch förderlich, den eigenen Körperausdruck bewusst wahrzunehmen, um etwas an der Gesamtsituation und der eigenen Außenwirkung zu verändern.

So kannst du herausfinden, welche körperlichen Signale du aussendest – und wie du eigentlich wirken möchtest. Je besser deine Wahrnehmung wird, umso eher lernst du, falsche rhetorische Signale zu vermeiden.

Wenn du deine Fähigkeit zum äußeren Beobachten und eigenem Wahrnehmen trainierst, kannst du dich besser verständigen, zielgerichteter kommunizieren und auch anderen besser zuhören und sie verstehen. Du kommunizierst authentisch und zugewandt.   

 

Authentischer Körperausdruck hat nichts mit Technik und Nachahmung zu tun.

Niemals hat die Auseinandersetzung mit Körpersprache und Körperausdruck etwas mit dem Erlernen von bloßer Technik zu tun. Es geht auch nicht um Nachahmung oder äußere Mittel.

Sprech- und körperliches Ausdrucksverhalten sind immer individuell und biografisch geprägt. Etwas am Ausdruck zu verändern, ist ein individueller Prozess. Er umfasst innere Haltungen und äußeren Körperausdruck gleichermaßen.

Ich möchte dir Mut machen, den Weg des ‚sanften Kennenlernens‘ zu gehen: dein Körper weist dir den Weg. Er gibt dir Informationen über deine Gefühle und Befindlichkeiten und er unterstützt dich beim Kommunizieren.

Je genauer du deinen Körper kennst und weißt, was du in der Kommunikation mit anderen erreichen willst – desto mehr kannst du mit deinem Körperausdruck arbeiten und ihn für einen positiven Gesamtausdruck einsetzen.  

Es geht also niemals darum, 'Körpersprache zu verbessern' - sondern deinen eigenen Weg mit deinem Körperausdruck zu finden und ihn selbstbewusst zu gehen.